Religionen – Medien, Materialität, Methoden
DVRW-Tagung, 13. – 16.9.2017 in Marburg
Organisatorinnen: Bärbel Beinhauer-Köhler, Edith Franke
Gastgeberin: Philipps-Universität Marburg mit ihren Einrichtungen der Fachgebiete Religionswissenschaft und Religionsgeschichte, der Religionskundlichen Sammlung und dem Zentrum für interdisziplinäre Religionsforschung.
Leitthemen: Dies sind Dynamiken der Kommunikation in und über Religionen mit besonderem Blick auf die Erscheinungs- und Repräsentationsformen bis hin zur wissenschaftlichen Re-Inszenierung von Religionen sowie den damit verbundenen methodischen Reflexionen. Die großen Leitbegriffe des Titels stehen jeweils für weit gefasste Themenfelder und aktuelle Fachdebatten religionswissenschaftlicher Forschung, die als Foren Raum zum Austausch und zur Diskussion bieten.
I. Medien
Das Stichwort Medien verweist auf die Ebene von Kommunikation und Interaktion und damit die Zeichenvermittlung oder Aktualisierung von Zeichen im großen Spektrum von Performanz, Text, Bild, Architektur, Film oder auch neuen Medien. Dieses Spektrum überspannt zugleich die Bereiche Medien in den Religionen sowie Religionen in den Medien, zwischen denen vielfältige Wechselwirkungen zu beobachten sind: Religiöse Akteure eignen sich zur Darstellung und Vermittlung ihrer Inhalte neue Formate und Medien an und religiöse Motive werden in Medien des nicht-religiösen Felds überführt. Welche Transformationsprozesse sind hier zu beobachten und welche Folgen haben diese für das religiöse wie nicht-religiöse Feld? Verändert der Wechsel von Medien und ihre Neuentwicklung, beispielsweise vom rezitierten Ramayana zum Bollywood-Film, Aussagen von Religionen oder deren Wahrnehmung? Einzelne Medien, wie repräsentative Handschriften oder auch Handy-Apps, mögen innerhalb einer Religion unterschiedlich konnotiert und mit spezifischen Rezeptionen verbunden sein. Unterschiedliche Medien können auch für unterschiedliche Milieus ihrer bevorzugten Rezeption stehen, vom männlich dominierten islamischen Freitagsgottesdienst bis zum Blog junger Musliminnen im Internet. So kommen auch die Kommunikationssysteme selbst, ihre Wirkungen und ihre Träger zwischen Zentrum und Peripherie einer Religion in den Blick, und es eröffnen sich neue Perspektiven für die Analyse der Transformation und Produktion von religiösen Zugehörigkeiten und Traditionsbildungen.
Die Prozesse der Priorisierung von Medien sowie der Mediennutzung und -aneignung in religiösen Traditionen verweisen auf je kulturspezifische Sozialstrukturen wie Machtdiskurse, wobei diverse Milieus und unterschiedliche institutionelle Zusammenhänge aufgerufen sind. In diesen diskursiven Kommunikationsprozessen werden nicht nur die Zugänge zur Produktion und Repräsentation religiöser Inhalte verhandelt, sondern sie betreffen darüber hinaus die Traditions- wie Identitätsbildung. Welche Akteursgruppen partizipieren in welcher Art und Weise und mit welchen Folgen an den Diskursen zur Priorisierung, Aneignung und Nutzung von Medien?
II. Materialität
Das Stichwort Materialität steht hier stellvertretend für alle Varianten körperlich-sinnlicher Wahrnehmung: Von Sehen über Hören, Riechen und Schmecken bis Erleben. Dabei wird im Konzept der „Materialität“ das Augenmerk auf die in den Religionen je kultivierten Repräsentationsformen sowie deren Aushandlungsprozesse gerichtet. Welche Akteure in welchen Konstellationen entscheiden darüber, in welchen materiellen Formen bspw. Prozessionen oder Rituale religiös codiert und choreographiert werden?
In der Regel sind die materiellen Repräsentationen der religiösen Traditionen multisensual arrangiert, sodass sich Aussehen, Haptik, Klang, Olfaktorik usw. überlagern. Im meist planvoll orchestrierten Zusammenspiel der unterschiedlichen Repräsentationsformen und -modi werden religiöse Wahrnehmungsräume konstruiert, die von den Akteuren im Verlauf ihrer religiösen Sozialisation inkorporiert werden und gesellschaftliche Strukturen formen. Welche Wahrnehmungsmuster und Emotionen werden dabei habituell eingeübt? Welche sozialen Hierarchien und Geschlechterkonstruktionen werden hierdurch aufgezeigt und perpetuiert?
III. Methoden
Das Stichwort Methoden steht für die mit den Feldern „Medien“ und „Materialität“ eng verbundenen Fragen nach angemessenen methodischen Herangehensweisen, die zugleich Fragen nach den Aufgabengebieten und dem Selbstverständnis religionswissenschaftlichen Arbeitens aufwirft. Dabei beziehen sich die Fragen des methodischen Umgangs mit Medien und Materialität sowohl auf die religionswissenschaftliche Forschung als auch auf die Präsentation ihrer Ergebnisse. Die Darstellungsweise von Ergebnissen aus der Forschung war und ist klassischerweise der Text. Hinzu kommen u.a. Tondokumente, Bilder, Dokumentarfilme und museale Exponate. Welche Möglichkeiten des kombinierten Medieneinsatzes stehen der Präsentation und Vermittlung religionswissenschaftlicher Sachverhalte zur Verfügung? Und welche methodischen Überlegungen sind bei der Wissenschaftskommunikation zu beachten?
Die religionswissenschaftliche Erforschung medialer und materieller Phänomene kann zum einen an klassisch historische, philologische und sozialwissenschaftliche Methoden anknüpfen, erfordert zum anderen jedoch Revision und Erweiterung: Stichworte wie „iconic“, „visual“, „material“, oder „body turn“ sind Ausdruck dieser notwendigen Neujustierungen kultur- und religionswissenschaftlicher Forschungen. Sie sind andererseits aber auch Hinweis auf eine vielschichtige, bisweilen unübersichtliche und kontroverse Debatte zu Relevanz und Priorisierungen spezifischer Fragestellungen, Quellen und Methodik religionswissenschaftlicher Forschungen. Daher wird in dieser Sektion den aktuellen Debatten um methodische Positionierungen sowie deren Evaluation durch die Forschungspraxis ein Austauschforum geboten.
Anliegen der Veranstalterinnen ist es, sowohl innovativen, wenig beachteten Ansätzen als auch klassischen methodischen Ausrichtungen ein Diskussionsforum zu bieten und diese Fragen auch in Hinblick auf die Positionierung unserer Disziplin in einer sich wandelnden universitären Landschaft zu thematisieren.
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